Wie ein Alltagbrief ein besonderer Brief werden kann oder Wie Aschenputtel zur Prinzessin wurde

Wie ein Alltagbrief ein besonderer Brief werden kann oder Wie Aschenputtel zur Prinzessin wurde

 

Wie ein Alltagbrief ein besonderer Brief werden kann

oder

Wie Aschenputtel zur Prinzessin wurde

 

1830 brach in Rußland eine Choleraepidemie aus, die sich bedrohlich nach Westen ausbreitete. Daher wurden an den Einfallstraßen aus dem Osten wieder einmal Sanitätskordone mit Contumazämtern errichtet, die auch für die Desinfektion der einlaufenden Briefpost zuständig waren.

Diese Desinfektion geschah, indem die Briefe mit Essig behandelte und/oder mit einem Rasteleisen Löcher in die Briefe stach, die dann im Rauch von Kräutern wie Wacholder geräuchert wurden.

Tirol schützte sich vor der Seuche, indem es auf dem Litzelfeld im Postbereich des Grenzpostamtes Waidring ein großes Contumazamt für den nach Nordtirol einlaufenden Verkehr errichtete und alle anderen Grenzübergänge nach Nordtirol sperrte. (In Osttirol wurden an der Grenze zu Kärnten 2 Contumazämter eingerichtet). Es mussten also die Briefe der Jahre 1831 und 1832 von Salzburg in Richtung Innsbruck liefen, auf dem Litzelfeld desinfiziert werden, was mit einem Desinfektionsstempel bestätigt werden musste.

 

In dieser Zeit lief auch dieser Portobrief am 28. 11. 1831 über Salzburg nach Rattenberg. Ein Beleg mit Desinfektionsstempel von Litzelfeld, wie tausende andere auch, also ein braver alltäglicher Desinfektionsbrief, zu dem auch dem Prüfer Puschmann, den ich sehr verehre, nicht mehr eingefallen ist.

                                        

Im Gegensatz zu Puschmann stellte vor einiger Zeit ein Sammler die simplen Fragen: „Wieso München? In Bayern gibs doch keine Cholera, genau wie in Tirol. Und zwischen Tirol und Bayern gibts keine Desinfektion. Wieso lief er nicht über Rosenheim? Warum musste der Brief durch die Desinfektion? Und damit geriet das Aschenputtel in den Focus von Sammlern. Ihr Rang und ihr Marktwert stiegen und sie bekam den Ehrentitel Rarität.

                                                                                                                                                      

Ich habe mich eine Zeitlang mit dem Brief beschäftigt, aber ohne auf eine wasserdichte Antwort zu kommen. Der Beitrag zielt auch nicht auf eine Antwort ab, sondern will nur dazu anregen, auch unscheinbare Alltagsbriefe zu drehen und zu wenden und von allen Seiten zu bedenken, in der Überzeugung, dass unter ihnen noch immer allerhand kleine Raritäten schlummern. Und es macht verdammt stolz, solche zu entdecken.

 

Hubert Jungwirth

 

 

 



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