Die Legende von der Kaiser Franz Joseph-Ausgabe und ihren Fingerhutstempeln

Die Legende von der Kaiser Franz Joseph-Ausgabe und ihren Fingerhutstempeln

Die Legende von der KFJ-Ausgabe und ihren Fingerhutstempeln

 

1867 erschien in Österreich eine Briefmarkenausgabe, die in 7 frischen Farben ein Medaillon im Durchmesser von 15mm mit dem Portrait des Kaisers zeigt und bis heute einen legendären Ruf genießt. Kurz darauf erschienen an vielen Postämtern Einkreisstempel, von denen der kleinste fast genau über das Medaillon passte, und die ihrer Zierlichkeit halber Fingerhutstempel genannte wurden. Damit entstand eine rätselhafte Symbiose, die bis heute Rätsel darüber aufgibt, mit welcher Emotion sich damals verschiedene Postmeister mit ihrem Entwertungsstempel dem ehrwürdigen Bildnis der kaiserlichen Hoheit wohl angenähert haben dürften.

Die meisten Philatelisten sind aber davon überzeugt, dass viele Postmeister während der Entwertung der kaiserlichen Briefmarken gar nicht von monarchischen Gefühlen erfüllt waren, sondern vom sportlichen Ehrgeiz, den Fingerhutstempel in ihrer Faust so zielsicher wie möglich über dem Medaillon abzuschlagen. Denn: Wozu sonst sollte die geniale Übereinstimmung zwischen dem Kaisermedaillon und den Fingerhutstempeln dienen, wenn nicht für den Wettkampf um die Zielgenauigkeit der Stempelabschläge aller k. k. Postämter der Monarchie?

Unter einigen missmutigen Philatelisten wurde allerding hinter verhohlener Hand getuschelt, dass es den Zielstemplern gar nicht um den sportlichen Wettkampf ging, sondern um eine vorauseilende Vernichtung des Kaisers als Ankündigung eines Attentates auf den Monarchen, welches eine Geheimorganisation plane.

Gut gezielter Fingerhutstempel des Postamtes PLZENEC

 

Im Gegensatz zur sportlichen oder terroristischen Fingerhutideologie der Zielstempler stand jene des Postmeisters von Meistersdorf. Er war noch ein Monarchist von altem Schrot und Korn, ein echter Verehrer seiner Majestät, dem Meistersdorf die Ehre verdankte, einen seltenen Fingerhutstempel mit dem gleichen Durchmesser zu besitzen wie das Medaillon auf der Marke.Kaiserporträt. Diese Ehre ermunterte den untertänigen Postmeister dazu, Kaisermarken nur mit einem untadelig sauberen Stempelabschlag zu entwerten. Natürlich war es viel Arbeit, nach jedem Poststück den Stempel mit den winzigen Buchstaben neu zu putzen und das Stempelkissen immer feucht zu halten – aber der Erfolg kann sich wahrlich sehen lassen.

Meisterhaft gepflegter Fingerhutstempel aus Meistersdorf

 

In Zell am See soll einer zweifelhaften Quelle zufolge der Postdienst von einem missratenen Postmeistersohn mehr schlecht als recht erledigt worden sein. Sein Vater wollte ihn angeblich mit viel Nachdruck zu seiner Nachfolge zwingen, was aber kläglich misslang, sodass aus dem Sohn, nur ein Aushilfspostdiener wurde, der dem Kaiserbildnis ähnlich den heute rebellierenden Impfungsverweigerern,  jegliche Huldigung verweigerte, und der den Fingerhutstempel sowie das Stempelkissen leidenschaftlich verachtete, sodass er anstelle seines Handwerkzeuges zur Entwertung der Briefe nur den nächstliegenden Bleistift oder eine Feder benutzte, und als Protest gegen seine Arbeitsqual ein Kreuz über die Marken zeichnete.

Federzugentwertung eines unwilligen Aushilfspostdieners

 

Der allerschändlichste Umgang mit den Kaisermarken und den Fingerhutstempeln ist aber aus Ungarn überliefert, wo die Wut von Nationalisten sogar in Postämtern ihre Spuren hinterlassen haben soll, indem kaiserfeindliche Absender die letzten Briefmarken der österreichischen Monarchie, die in Ungarn nur mehr bis 1871 gültig waren, mit dem Bildnis Kaiser Franz Josefs verkehrt aufgeklebt haben sollen..

Postanweisung aus Ungarn mit dem gestürzten Kaiser

 

Hubert Jungwirth



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